Show und Leidenschaft

      Show und Leidenschaft

      Hallo,

      es wird immer wieder davon gesprochen, dass Show und echte Leidenschaft sich widersprächen. In dem Zusammenhang wird oft von "Schauspiel" im negativen Sinn geredet.

      Ich möchte hierzu einen Aspekt beisteuern, der mir selbst sehr geholfen hat. Im Rahmen meines Berufs habe ich mit verschiedenen Regisseuren gearbeitet, u. a. mit Peter Henze, dem ehemaligen Leiter der Theaterwerkstatt Hannover. Er hat immer wieder größten Wert darauf gelegt, dass ein guter Schauspieler nicht in dem Sinn "spielt", wie sich der Laie das vorstellt. Normalerweise denkt man, ein Schauspieler würde eine Art Maske aufsetzen und etwas vorspiegeln, was in Wirklichkeit gar nicht vorhanden ist.

      Aber ein Schauspieler ist nur dann gut, wenn er einen Teil seiner Seele aktiviert, in dem das Gefühl, das er gerade zum Ausdruck bringen will, tatsächlich vorhanden ist. Das heißt, das er eher daran arbeitet, Masken abzulegen, als welche aufzusetzen. Er muss die Rolle von innen her fühlen, sonst ist es schlechtes Schauspiel.

      Genauso ist es mit einem Tänzer oder einem sonstigen Künstler, der öffentlich auftritt. Vielleicht war er eben noch wegen privater Dinge traurig oder wegen eines Verkehrsstaus gestresst. Aber diese Dinge streift er ab und bringt sich innerhalb kürzester Zeit in die bestmögliche Laune - und die strahlt er dann auch aus. Das gelingt nicht immer gleich gut und ist auch Übungssache - aber wenn es gut ist, ist es echt. Und gleichzeitig Show!

      Was meint Ihr dazu?

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von „Hannes“ ()

      Logisch, dass ein guter Schauspieler wahre Gefühle in uns erzeugen kann, und ich denke, es gibt etliche Schauspieler, die sich in eine "Rolle" so reinlesen und -leben können, dass man ihnen diese Rolle abkauft...

      Nur gibt es eben auch genug Schauspieler, denen man zusieht, und wo man denkt "Setz meinen Hund hin, der kann das besser!" Z. B. gut zu sehen bei solchen Sendungen wie "Gute Zeiten schlechte Zeiten"... Grottenschlecht, verdienen aber Kohle damit... WOFÜR?

      Oder nicht? Und genau die Leute verdienen damit auch noch ihr Geld... ;(
      Das absolute Wissen führt zu Pessimismus; die Kunst ist das Heilmittel dagegen.
      Friedrich Nietzsche (1844-1900), dt. Philosoph


      Ja Hannes, ich denke, es ist kein Off-topic, den du hier eröffnet hast.

      Das Thema gefällt mir, nicht zu letzt, weil ich eben bei der DM Salsa dazu meinen Senf abgegeben habe.

      Ich glaube viele verkennen die wirklichen Leistungen eines Schauspielers oder eines Showtänzers. Und bei letzterem sollten wir vielleicht bleiben (auch wenn sich genügend Beispiele aus dem Schauspielerbereich zitieren lassen).

      Die Kunst ist es, in eine Rolle zu schlüpfen, sie auszufüllen und sie glaubhaft zu vermitteln. Und das kann nur dann passieren, wenn sich der Tänzer ganz und gar mit der Musik, mit dem Thema und seiner Tanzpartnerin "verschmelzt".

      Leider sind nicht alle Menschen so begabt, also sehen wir "gekünsteltes" und aufgesetztes Tanzen. Es ist nicht authentisch und wir nehmen es dem Protagonisten nicht ab, weil wir das Gefühl haben, dass er/sie gar nicht wirklich so fühlt.

      Wir bewerten sicher mit unseren Erfahrungen und all zu oft haben wir eben schlechte Tänzer gesehen (besonders im Fernsehen) und halten dieses Vorurteil aufrecht. Doch wenn man sich die Spitzentänzer mal anschaut - egal ob beim Salsa Tanzen oder im Latein, oder sonst wo - dann wird man feststellen, dass man ihnen die Mühen nicht ansieht und sie so locker und leicht und auch glaubwürdig rüberkommen.

      Viele Grüsse an alle
      Besitos
      @ ven
      Da gebe ich Dir recht. Das Konzept von "Gute Zeiten schlechte Zeiten" beruht genauso wie "Big Brother" darauf, dass der Zuschauer denken soll "wenn der es ins Fernsehen geschafft hat, dann kann ich das vielleicht auch". Vielen guten, ausgebildeten Schauspielern geht durch diesen Trend ihr täglich Brot verloren ...
      Original von Christiandomingo
      Ich glaube viele verkennen die wirklichen Leistungen eines Schauspielers oder eines Showtänzers. Und bei letzterem sollten wir vielleicht bleiben


      Hast recht.

      Das Ganze ist auch Übungssache, wie gesagt. Jemand, der bei den ersten Auftritten noch verkrampft ist und daher gekünstelt wirkt, kann beim zwanzigsten Mal abgehen wie eine Kanone sein.

      Wichtig ist nur, dass man immer wieder nach dem echten Ausdruck sucht.
      was ich insbesondere beim Salsa als zweifelhaft empfinde sind die vielen Akrobatikeinlagen und viel zu vielen und zu schnellen Bewegungen/Drehungen.

      Das sieht man den Tänzern auch an - sie wirken verkrampft und zu technisch. Selbst ihre bunten Kleider können da nicht drüber hinwegtäuschen.

      Ich habe ja in einem anderen Thread mal davon gesprochen, dass viele keinen wirklichen Bezug zur Salsa haben, da sie die Geschichte überhaupt nicht kennen. So können sie den Bewegungen auch keinen Sinn geben. Schritte verkommen zu Notwendigkeiten und nicht etwa als Mittel des Ausdrucks.

      Ich bin sicher kein Virtuose oder besonders begabter Tänzer, aber zumindest versuche ich der Musik etwas mehr abzugewinnen, als den Takt und das mir die Musik eben "nur gefällt". Und so wird ein Tanz, mit passender Partnerin immer eine kleine Geschichte.

      Übertragen auf den Showtanz kann das genauso laufen. Da hat man ein Thema, man identifiziert sich und versucht seine Persönlichkeit einzubinden. Das dies nicht leicht ist, erfordert viel üben und trainieren. Und da liegt sicher auch ein Unterschied zum "Social Dance".
      Original von Christiandomingo
      was ich insbesondere beim Salsa als zweifelhaft empfinde sind die vielen Akrobatikeinlagen und viel zu vielen und zu schnellen Bewegungen/Drehungen.


      Da stimme ich dir uneingeschränkt zu.
      Das absolute Wissen führt zu Pessimismus; die Kunst ist das Heilmittel dagegen.
      Friedrich Nietzsche (1844-1900), dt. Philosoph


      Original von DJ Pachanga

      ... D.h. das schwierigste als Tänzer ist in Harmonie mit der Dame zu tanzen und das mit guter Technik und auch noch in der Musik! Der Herr hat sein Gefühl und die Dame hat ihr Gefühl. Jetzt gilt es diese beiden Gefühle im Tanzen miteinander zu vereinen. Die Show kommt von selber, wenn man diese Art von Harmonie im Tanzen erlangt hat; dann kann man alles machen und sowohl Wertungsgericht als auch Zuschauer gleichermaßen überzeugen.



      Das hier habe ich gerade mal aus dem DM-Thread rausgezogen, weil DJ Pachanga hier genau meine Meinung auf den Punkt gebracht hat.
      Das absolute Wissen führt zu Pessimismus; die Kunst ist das Heilmittel dagegen.
      Friedrich Nietzsche (1844-1900), dt. Philosoph


      Original von DJ Pachanga
      ... Der Herr hat sein Gefühl und die Dame hat ihr Gefühl. Jetzt gilt es diese beiden Gefühle im Tanzen miteinander zu vereinen. Die Show kommt von selber, wenn man diese Art von Harmonie im Tanzen erlangt hat...


      Du sprichst mir aus der Seele!

      :gut:
      Success is going from failure to failure without a loss of enthusiam.
      - Winston Churchill
      Hannes, deinen Beitrag finde ich echt klasse und produktiv. Ein Schauspieler lernt in der Ausbildung die Arbeit mit dem „emotionalen Gedächtnis“, das heißt er schaut, welches Gefühl, welche Stimmung in einer Szene gebraucht wird, geht in seinem Leben zurück in eine Situation, in der er dieses Gefühl sehr stark erlebt hat und speichert das ab, mental oder besser noch mit einer bestimmten Geste oder einem Requisit. Dann verbindet er das Gefühl, das er aus seinem Leben kennt über Requisit oder Geste mit der entsprechenden Szene. Selbst mit Laien kann man über diese Technik so authentische Ergebnisse auf die Bühne bringen, dass sie mit Profis mithalten können.

      Dein Vergleich hat mich dazu veranlasst, mal zu gucken, ob sich vielleicht noch weitere Elemente aus meiner Theaterarbeit aufs Tanzen übertragen lassen. Vor der Arbeit am eigentlichen Stück gibt es wesentliche, längere Trainingsphasen: Improvisationsaufgaben zu vorgegebenen Gefühlen, Situationen. Da müssen die Leute auf ihre eigenen Erfahrungen zurückgreifen, da es keine „Rolle“ gibt, die sie im Auge haben. Wenn ich gesehen habe, was eine Gruppe mitbringt und was ich aus ihr herauskitzeln kann, kommt die Stückauswahl, aber ohne Rollenverteilung. Dann gibt’s Improaufgaben, die ich aus Szenen, Charakteren, Situationen des Stückes ableite und jeder schlüpft in verschiedene Rollen. Dabei kann jeder herausfinden, womit er gut klar kommt und beim Vorspielen können alle sehen, wer in welcher Rolle überzeugend wirkt. Die Rollenverteilung läuft dann fast von selbst. Weiterhin herrscht strenges Textlernverbot! Die Schlüsselszenen verkürze ich auf ein absolutes Minimum, auf die Essenz, und lasse sie von den Leuten so spielen, wie es für sie authentisch ist, auch mit eigenen Worten. Dabei beobachte ich Gestik, Mimik und Tonfall und sage den Spielern, welche Elemente sie unbedingt beibehalten sollen, weil sie stimmig sind. Erst dann wird der Text gelernt, werden Details eingeschliffen.

      Übertragen aufs Tanzen hieße das dann zum Beispiel: Die eigenen Stimmungen und Gefühle über den Tanz ausdrücken, so wie sie gerade da sind (anstatt sie vielleicht wegzuschieben, weil man ja Salsa tanzen will) und spaßeshalber auch mal andere Stimmungen und Gefühle, die man von sich kennt. Also mehr sich selbst als „technische Figuren“ tanzen :) Dann mal in unterschiedliche Salsero/a-Rollen schlüpfen: mal charmant, verspielt, lasch, englisch steif, wuschig, cool, showmäßig, kokett, aggressiv, ultraelegant, albern... tanzen. Könnte ein ungeahntes Ausdrucksspektrum eröffnen. :loslos: Und wer dann mit Salsa vor ein Publikum gehen möchte, bräuchte für den dritten Schritt einen Beobachter von außen, der auf die Details aufmerksam macht, die beim spielerischen Umgang mit dem Salsa-Tanzen eher zufällig entstehen, aber bei diesem Paar eben gut, authentisch und wirkungsvoll aussehen. Wenn das stimmig ist, kann zum Schluss eine Choreographie ausgearbeitet werden, die diese Elemente nutzt. Ich glaube nicht, dass sie dann aufgesetzt wirken würde, wenn die Basis stimmt, auf der sie aufgebaut wird.
      @mona

      Klasse Beitrag :gut:

      Du hast da einen Satz gesagt:
      Die eigenen Stimmungen und Gefühle über den Tanz ausdrücken, so wie sie gerade da sind (anstatt sie vielleicht wegzuschieben, weil man ja Salsa tanzen will) und spaßeshalber auch mal andere Stimmungen und Gefühle, die man von sich kennt. Also mehr sich selbst als „technische Figuren“ tanzen


      ...und genau das ist sicher die Schwierigkeit. Viele denken ja, dass sie etwas "vorspielen" sollen. Sich selbst zu zeigen ist sicher für viele ein kleiner "Seelen Striptease" und daher muss man sein Schamgefühl überwinden (z.B. zu glauben, dass man verlacht wird...).
      Hallo ....

      Hannes, ich find dein Beispiel mit den Schauspielern sehr gut. Denn es ist wirklich so, das nur ein Schauspieler, der sich richtig in die Rolle reinfühlt authentisch rüberkommt.. Ich denke das man die Arbeit der Schauspieler leicht unterschätzt.

      Allerdings bin ich da bei den Tänzern nicht so überzeugt, oder vielleicht habe ich noch ein falsches Bild davon.

      Wir reden vom Showtanz... Das ist, finde ich keine Rolle, zumindest nicht eine die man fühlen lernen muss, weil man das Gefühl nicht Kennt. Ein Tänzer kennt normalerweise das Gefühl von Leidenschaft, oder was auch immer um diesen Tanz zu tanzen... Ein Schauspieler dagegen muss sich in Gefühle versetzen, die er womöglich noch nie in seinem Leben gefühlt hat.. Und dann es so nachzuempfinden, das es keine Maske ist, sondern richtig empfunden ist.

      Also, wenn er einen schlechten Tag oder ähnliches hat, wie du gesagt hast, dann schlüpft er sehr wohl in eine Rolle, denn er/sie muss ja gut gelaunt sein, was man ja erwartet.. Aber das Tanzen sollte eigentlich ein Ausdruck von Gefühlen sein. Wenn er/sie dann seine wahren Gefühle verstecken muss, weil das grad nicht zu einem fetzigen Salsasong passt, zieht er/sie für das Publikum eine Maske an... Denn ich bin überzeugt, das man innen drin trotzdem noch gestresst und traurig ist, wenn auch auf dem Gesicht das übertriebene Lächeln strahlt..

      Saludos
      Bianca
      "Si tu cuerpo no está en armonía y no le das algunos placeres de vez en cuando, es imposible que tu alma sea feliz!" Sócrates

      Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von „Salsomana“ ()

      @Salsomana

      VETO:

      Wir reden vom Showtanz... Das ist, finde ich keine Rolle, zumindest nicht eine die man fühlen lernen muss, weil man das Gefühl nicht Kennt.


      NATÜRLICH schlüpft man in einer Show in ein Rolle. Hey...und sie kommt um so besser, je authentischer der Protagonist dabei ist. Das ist doch !!! eben die grosse Kunst. Daher nennt man Schauspieler und grosse Tänzer auch KÜNSTLER.
      Denn nicht jeder kann es...

      Dazu gibt es Schauspielschulen und....Trainer für Tanzsport und Showtanz. Was glaubst du wohl, was die den Lehrlingen da so beibringen?

      Ich glaube das Bild über Schauspieler und Tänzer ist in den Medien nicht richtig dargestellt.

      Vor Jahren war ich in einer Formationstanzsportgruppe. Da war ein Typ, der Schauspieler werden wollte und in eine entsprechende Schule ging. Er erzählte mir, wie die da "lernen".
      ---> da war z.B. mal eine Übung, wo sie sich vorstellen sollten, wie es wäre, wenn der Fussboden in dem Raum, wo sie gerade sind, kochend heiss wie Lava wird. Sie sollten dann reagieren und ihre Gefühle zeigen. Dabei mussten sie eben sich in so eine Situation hineinversetzen. Und das geht mit den natürlichen Gefühlen, die sie selber haben.

      Je besser man sich wo reinfühlen kann, um so besser kann man es wieder nach draussen geben.

      Und so sehe ich es bei allem. Der Social Dancer zeigt nicht bewusst seine Gefühle, denn er konzentriert sich ja auf seine Tanzpartnerin. Doch wenn er einer/eine von denen ist, die wenig Angst haben, Gefühle zu zeigen, dann sieht man bei ihm/ihr auch sehr viel, was zu beobachten lohnt. Andere haben Angst und legen ein "Gesicht" beim Tanzen auf. Sie wirken ruhig, oder cool, oder gar völlig unbeteiligt. Lassen wir diese Tänzerinnen und Tänzer mal weg...